Als die Kostümbildnerin Janina Thiel mich während der Probenphase der FLEDERMAUS fragte, ob sie meinen Kontakt an einen Kollegen in Peru weitergeben dürfte, der gerade ein Seminar zum Thema „Theater und Technologie“ organisierte, habe ich natürlich spontan zugesagt. Wirklich daran geglaubt, dass etwas daraus wird, habe ich ehrlich gesagt nicht. Doch am 11.11.2024 bekam ich tatsächlich eine E-Mail von Rodrigo Benza Guerra, einem Professor des Programms „Scenic Creation and Production“ an der Pontificia Universidad Católica del Perú (PUCP) mit dem Betreff: „Invitation to Lima“.
Mit dieser E-Mail begann ein Abenteuer, das wir nicht erwartet hätten. So spontan ich der Weitergabe meiner Daten zugestimmt hatte, so spontan stimmte ich dieser Reise zu – wer bekommt schon die Gelegenheit bei voller Kostenübernahme eine Woche nach Peru zu reisen? Die einzige Bedingung: Ich würde nicht allein gehen. Eine der Besonderheiten des Digital Theatres ist, dass Theater und Technologie eng miteinander verknüpft sind. Das wird auch in unserer Arbeitsweise deutlich: Als gelernte Theaterwissenschaftlerin mit praktischer Erfahrung im Theaterbetrieb kann ich als Abteilungsleiterin zwar einige Bereiche abdecken, doch ohne die Unterstützung meiner Kolleg:innen mit ihrem technischen Fachwissen könnten wir weder künstlerische Forschung in diesem Bereich betreiben noch eigene Projekte entwickeln. Da lag es nahe, unseren Digital Artist Julien Rodewald mit auf diese Reise zu nehmen, was glücklicherweise durch die Unterstützung des Freundeskreises Theater Koblenz e.V. (diesem sei an dieser Stelle noch einmal gedankt) ermöglicht wurde.
Als uns Luciana Queiroz Góngora nach fast 20 Stunden Reise am Flughafen in Lima empfing und wir uns mit dem Taxi auf den Weg zum Hotel machten, war schnell klar: Hier ist einiges anders, als wir es gewohnt sind. Dinge, die sofort auffielen, waren die unglaubliche, ehrliche Herzlichkeit der Menschen und der verrückte Straßenverkehr, wobei im Laufe unseres Aufenthaltes klar wurde: Der Verkehr am frühen Morgen ist noch verhältnismäßig ruhig …
Nach einem halben Tag des Erholens und einem kleinen Ausflug zu den Sehenswürdigkeiten der Innenstadt, starteten wir in das Seminar, indem wir die Eröffnungs-Performance besuchten. Die Hürde bei allen Veranstaltungen, außer unseren eigenen – die Sprache, denn die Sprache aller Veranstaltungen war Spanisch. Es gab noch einen weiteren internationalen Gast für den das jedoch kein Problem war: Matías Umpierrez, ein Performancekünstler aus Argentinien/Spanien. Für beide Performances, die wir besucht haben, galt jedoch: Die Inszenierungen waren sehr visuell geprägt und beinhalteten sehr wenig Text und die Sprache des Theaters ist so universell und international, dass es im Grunde nicht wichtig ist, in welcher Sprache der Text gesprochen wird.
Etwas anders verhielt es sich mit den Vorträgen und anderen Veranstaltungen des Seminars, die wir aus diesen Gründen größtenteils nicht besucht haben. Wann immer aber eine gemeinsame Veranstaltung anstand, gaben sich unsere Gastgeber große Mühe, für uns zu übersetzen. Überhaupt hat uns das gesamte Team einen wunderbaren Aufenthalt beschert. Es wurde täglich ein Taxi für die Fahrt zum Campus und zurück geschickt, wir erhielten Empfehlungen für die besten Restaurants und Sehenswürdigkeiten (wofür eigentlich keine Zeit war) und hatten immer eine:n Ansprechpartner:in, wann immer wir eine Frage hatten.
Bereits in unserem ersten Workshop zum Thema „Storytelling in VR: passive Zuschauer vs. Interaktion“, durften wir lernen, dass in Südamerika nicht immer alles nach Plan läuft – aber ganz ehrlich: Wo läuft schon alles nach Plan? Wir hatten 2 VR-Brillen sowie unseren Laptop und WLAN-Router mitgebracht, weitere 4 Headsets konnten vor Ort von einer anderen Fakultät geliehen werden. So konnten wir – so der Plan – anhand unserer Multiplayer-Experiences ein Gefühl vermitteln, was in VR alles möglich ist. Und zwar eben nicht nur allein, sondern auch in einem gemeinschaftlichen Erlebnis. Leider haben diese Demonstrationen nur sehr schlecht funktioniert, da das WLAN in Südamerika wohl andere Frequenzen als in Europa nutzt. Während wir uns darüber eher geärgert haben, stießen wir auf sehr viel Verständnis und trotz allem: Begeisterung. Für die meisten Teilnehmer:innen war dies der erste Berührungspunkt mit VR und auch wenn nicht alles funktioniert hat, so haben die Gespräche am Ende des Workshops doch gezeigt: Die Erfahrung, wie ein immersives Erlebnis in VR funktionieren kann, konnte trotz aller „Probleme“ gemacht werden. Und wir bekamen noch eine Lebensweisheit Rodrigos mitgegeben: „Es ist sehr gut, dass ihr diese Erfahrung gemacht habt. Wir können froh sein, dass wir zu Beginn des Workshops noch ein funktionierendes HDMI-Kabel bekommen haben. Die Dinge sind hier nicht so einfach.“
Das war auch ein großes Thema in unserem zweiten Workshop, den wir dafür nutzen wollten, anhand eigener Ideen der Teilnehmer:innen zu demonstrieren, wie man in der Entwicklung eines digitalen Projektes am besten vorgeht. Wir nutzen viel VR, doch das entspricht nicht der Lebensrealität der Teilnehmenden. Kunst und Kultur werden in Peru nicht gefördert, die Chance für einen Künstler oder eine Künstlerin, sich ein, geschweige denn mehrere VR-Headsets anzuschaffen, ist relativ gering. Auch für uns ist das nicht selbstverständlich. So stand vor allem die Frage im Raum: „Was können wir mit den Dingen machen, die wir haben?“ Wir sprachen in den folgenden 3 Stunden also viel darüber, wie wichtig es ist, sich nicht einschüchtern zu lassen, kleine Schritte mit kostenlosen Programmen und Tutorials zu gehen und vor allem: sich Kollaborationspartner:innen zu suchen. Besonders schön war, dass eine Teilnehmerin, eine Geschichtenerzählerin, uns am nächsten Tag strahlend berichtete, sie hätte bereits jemanden gefunden, der ihr bei ihrer Projektidee hilft.
Den Vortrag am Vormittag des – für uns – zweiten Tages, nutzten wir vor allem dafür, unsere Arbeit und die daraus entstandenen Projekte vorzustellen. Unser Portfolio reicht mittlerweile von niederschwelligen Angeboten wie dem Digitalen Opernglas bis hin zu komplexen Multiplayer-Experiences wie den INTERACTIVE TOOLKITS und konnte so einen geeigneten roten Faden für die Beschäftigung mit dem Thema „Demands of modern day theatre using digital media“ bilden. Die Lecture wurde übrigens von einer professionellen Übersetzerin begleitet, die Workshops wurden jeweils von Fakultätsmitgliedern übersetzt.
Bevor wir den letzten Tag mit einem Abschluss-Panel, einem Abendessen und natürlich einem Pisco Sour beendeten, zeigten wir PICTURES. Auch hier lief nicht alles wie geplant, da der Raum nur eine ausreichende Größe für zwei Zuschauer:innen zur gleichen Zeit bot, wir aber fünf Zuschauende pro Slot unterbringen mussten. Da die Gefahr der Kollisionen dadurch deutlich erhöht war, wurden spontan zwei freiwillige Helferinnen abgestellt, die sich gemeinsam mit Julien darum kümmerten, dass keine Unfälle entstanden. Anders als bei uns, trauten sich die Teilnehmenden viel häufiger die vorgegebenen Wege zu verlassen, insofern war die engmaschige Betreuung absolut nötig. Das Treiben von außen zu beobachten, war allerdings sehr amüsant.
Nach vier Tagen in Peru voller Eindrücke, neuer Leute, viel neuem Input und sehr wertvollen Konversationen ging es auch schon wieder zurück nach Deutschland. Wir haben unglaublich viel gelernt und werden sicherlich noch lange von den Erinnerungen zehren und natürlich haben wir viel mehr erlebt, als ich in einem solchen Bericht zusammenfassen kann – doch so konnte ich hoffentlich einen kleinen Einblick geben.
Danke an die Organisatoren und Teilnehmenden in Lima für die wundervolle Zeit, danke lieber Freundeskreis und liebes Theater für die Unterstützung. Hoffentlich werden wir in Kontakt bleiben.
Text und Fotos: Britta Bischof